Wohnungseigentümer:innen können auch nur Teile der Abrechnungsspitze anfechten

Finanzen werden überprüft

WiE begrüßt das Urteil / Vorgehen gegen nur einzelne Kostenpositionen reduziert den Streitwert und damit die Prozesskosten / Verwaltungen sollten Fehler in der Jahresabrechnung möglichst vor Eigentümerversammlung korrigieren

Die Jahresabrechnungen von Wohnungseigentümergemeinschaften sind häufig fehleranfällig und landen nicht selten vor Gericht. Ein wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofs stellt nun klar, dass Wohnungseigentümer:innen auch nur einen Teil der Abrechnungsspitze anfechten können, der sich betragsmäßig auf eine bestimmte Kostenposition bezieht. Seit Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 2020 ist es nur noch möglich, die Abrechnungsspitze anzufechten – damit sollten Streitigkeiten über formelle Details, die sich nicht auf das Ergebnis auswirken, unterbunden werden. Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) begrüßt das Urteil und informiert, wie Wohnungseigentümer:innen vorgehen sollten, wenn sie Fehler in der Jahresabrechnung feststellen – um den Gang vor Gericht möglichst zu vermeiden. 


Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes 2020 beschließen Wohnungseigentümergemeinschaften nicht mehr über die Jahresabrechnung insgesamt, sondern nur noch über die Abrechnungsspitze der Wohnungseigentümergemeinschaft, also über die Summe der Abrechnungsspitzen der einzelnen Wohnungen. Dabei handelt es sich jeweils um die Differenz zwischen den Hausgeld-Vorauszahlungen gemäß Wirtschaftsplan und den tatsächlich in der Wirtschaftsperiode entstandenen Kosten – im Ergebnis entweder eine Nachzahlung oder eine Erstattung.


Bisher war ungeklärt, ob Wohnungseigentümer:innen nur den Beschluss über die Abrechnungsspitze insgesamt anfechten können oder ob auch eine Teilanfechtung zulässig ist. Dies hat der Bundesgerichtshof nun bejaht (Urteil vom 11.4.2025, Az, V ZR 96/24) – vorausgesetzt, die Abrechnungsspitze enthält eine „rechnerisch selbstständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition“ (BGH) und vorausgesetzt, es ist anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer „den Beschluss auch mit dem unbeanstandet gebliebenen Teil gefasst hätten“. 


Streit um Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage, Teil des Beschlusses ungültig


Im verhandelten Fall hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Abrechnungsspitzen aus den Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Jahr 2020 beschlossen. In den Abrechnungen wurden unter anderem Ausgaben in Höhe von 10.000 Euro, die aus der Erhaltungsrücklage beglichen worden waren, auf die Eigentümer:innen nach Miteigentumsanteilen umgelegt – was eine der Eigentümer:innen anfocht. Der Bundesgerichtshof erklärte nun diesen Teil des Beschlusses für ungültig – denn Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage dürften nicht in die Abrechnungsspitze einfließen. „Andernfalls würden die Wohnungseigentümer doppelt belastet, weil sie die Ausgaben bereits vorher durch entsprechende Beträge zur Erhaltungsrücklage finanziert haben“, heißt es in dem Urteil. 


Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) begrüßt das Urteil. „Bei einer Teilanfechtung fällt der Streitwert niedriger aus als bei einer Anfechtung der gesamten Abrechnungsspitze, was dazu führt, dass die Prozesskosten niedriger sind“, sagt Dr. Sandra von Möller, Vorständin von Wohnen im Eigentum. Dies sei, so Möller, nicht nur positiv für den klagenden Eigentümer, sondern auch für die Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen die die Klage stets zu richten ist. 


Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats erhoben werden


Einen Beschluss über die Abrechnungsspitze bzw. einen Teilbetrag der Abrechnungsspitze können Wohnungseigentümer:innen nur innerhalb eines Monats ab dem Tag der Beschlussfassung anfechten, indem sie Anfechtungsklage beim Amtsgericht, in dessen Bezirk die Immobilie sich befindet, erheben. Nach dieser Frist wird der Beschluss automatisch bestandskräftig. 


Kostenposition muss entweder falsch sein oder falsch umgelegt worden sein


Im verhandelten Fall konnte der klagende Eigentümer zeigen, dass eine Kostenposition komplett falsch ist – das dürfte allerdings nur sehr selten vorkommen. Nach der Auffassung von WiE dürfte eine Teilanfechtung aber auch zulässig sein, wenn ein Betrag falsch auf die einzelnen Wohnungseigentümer:innen verteilt wurde, zum Beispiel wenn die Gebühren für die Straßenreinigung nach dem falschen Kostenverteilungsschlüssel auf die Wohnungseigentümer:innen umgelegt wurden. Denn auch in diesem Fall dürfte davon auszugehen sein, dass die Wohnungseigentümer:innen die richtigen bzw. richtig verteilten Kostenpositionen trotzdem beschlossen hätten. In der Klage müssten der Fehler und die sich daraus ergebenden Differenzen klar dargestellt werden. 


Fehler möglichst noch vor der Eigentümerversammlung korrigieren lassen


Da seit der WEGesetz-Reform Klagen stets gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet werden müssen und der Wohnungseigentümergemeinschaft somit bei einem Gerichtsverfahren immer Kosten entstehen – die dann auf alle Eigentümer aufgeteilt werden –, sollten Wohnungseigentümer:innen allerdings zunächst versuchen, mögliche Fehler in der Jahresabrechnung noch vor der Beschlussfassung korrigieren zu lassen und so den Gang vor Gericht zu vermeiden.


Hierfür ist es sinnvoll, Fehler erst einmal mit dem Verwaltungsbeirat abzuklären und diese dann möglichst frühzeitig vor der Eigentümerversammlung der Verwaltung mitzuteilen und eine Korrektur zu verlangen. Dann besteht die Chance, dass die Verwaltung noch vor dem Versammlungstermin korrigierte Abrechnungen erstellen und verteilen kann und dass dann über diese beschlossen wird.


Andernfalls Beschluss unter Vorbehalt der Korrektur fassen


Ist dies zeitlich nicht mehr möglich, können die Wohnungseigentümer:innen in der Eigentümerversammlung einen Beschluss über die Abrechnungsspitze beschließen unter dem Vorbehalt, dass die fehlerhafte Kostenposition abgeändert wird. Ein solcher Beschluss mit Korrekturvorbehalt ist aber nur ausnahmsweise zulässig, wenn in dem Beschluss genau dargestellt wird, wie die Korrektur zu erfolgen hat. Die Eigentümer:innen müssen also in der Lage sein, die Auswirkungen der Korrektur auf die Abrechnung erkennen zu können. Ist das nicht möglich, bleibt als rechtssichere Alternative nur die Vertagung der Beschlussfassung auf eine außerordentliche Versammlung oder im Rahmen eines Umlaufbeschlusses.


Tipps zur Prüfung der Jahresabrechnung finden Sie in einer weiteren Pressemitteilung von WiE.

Über WiE


Wohnen im Eigentum (WiE) ist ein bundesweiter Verbraucherschutzverband mit über 16.000 Mitgliedern und Sitz in Bonn. Der Verband tritt für die Interessen und Rechte von privaten Immobilieneigentümern, insbesondere von Wohnungseigentümern und Wohnungseigentümergemeinschaften ein. WiE fordert mehr Verbraucherschutz und Markttransparenz in der Bau- und Immobilienbranche. Seine Mitglieder unterstützt WiE mit kostenfreien Rechts-, Energie- und Bauberatungen sowie mit umfangreichen Informationsveranstaltungen, Ratgebern und Arbeitsmaterialien. WiE ist parteipolitisch neutral, unabhängig und Mitglied im Verbraucherzentrale Bundesverband. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Vereins unter www.wohnen-im-eigentum.de.